Bericht Vienna Independent Shorts 2010

Vienna Independent Shorts 28.5.-2.6.2010
Bericht von Nicolaas Schmidt (SENSE+INNOCENCE)

Bericht über Empfindungen und Erlebnisse während der letzten drei Tage des Mai 2010

VIS – sechs Tage, 33 Kurzspiel- und Kurzdokumentarfilme, 38 Animations- und Experimentalfilme, 26 österreichische Produktionen, diverse Sonderprogramme, Party.
Eine Woche vor Festivalbeginn plötzlich ein Terminproblem – ich trage keine Schuld. Es stellt sich heraus, dass ich erst später fahren und nur ein bis maximal zwei Tage fernbleiben kann. Wird sich die Fahrt dann lohnen? Es folgen sieben Tage quälende Entscheidungsunfähigkeit. Das Festival bzw. die Reise an sich wird sich auch nur als funktionierende Ablenkungsmöglichkeit herausstellen. Ich schaffe es trotzdem die Reise anzutreten.

29. Mai 2010, 19.43 Uhr: Ich fahre mit der Bahn von Hamburg nach Wien. Zeitpunkt und Orte sind ohne Belang. Nichts tun genießen können – ohne schlechtes Gewissen. 14 Stunden hin, 32 Stunden dort, 14 Stunden zurück. Dann wieder ein bis zwei Tage eine neue alte Heimat. Das sind vier Vorfreuden innerhalb kürzester Zeit. Nach der Reise muss es mir dann wieder schlecht gehen.

Hab die Tasche trotzdem voll gepackt mit Sachen gegen eine nicht eintreten werdende Langeweile – vier Bücher, 74 GB Musik und Filme, diverse Texte und ein Notizbuch mit Bemerkungen und Projekten die auf Ergänzung, Sortierung, Priorisierung und Verknüpfung warten – vergeblich.
Im Abteil ist es sehr warm und stickig. Nur an den Fensterplätzen kommt ein wenig ebenso warme Luft aus den Schlitzen der Klimaanlage. Ich sitze an der Tür, keiner mag tauschen. Auch im Gang ist es nicht auszuhalten. Zweifel – ist die Klimaanlage defekt oder ich. Der Schaffner findet für mich ein leeres Abteil.

Dort setze ich mich ans Fenster – nicht viel besser. Ich stecke ein A4 Blatt in den Lüftungsschlitz und falte es so, dass mir der geringe Luftstrom direkt ins Gesicht bläst. Ich lese, höre Musik.
3.54 Uhr: Bin entspannt wie lange nicht. Könnte noch sechs Stunden schlafen, oder besser noch, dämmern im Halbschlaf.
6.13: Werde von Polizisten unsanft und unhöflich geweckt – Ausweiskontrolle. Schlafe trotzdem wieder ein.
7.36: Zum Glück erneute Kontrolle, diesmal höflicher. Ich bin gut gelaunt, der Tag beginnt. Ich filme den Sonnenaufgang und schaffe es gar, mir ein klein wenig einzureden, dass der eingeladene Film bzw. meine Anwesenheit von Belang sein könnte.

Ankunft: Kaffee, Kuchen und Gespräche im Festivalbüro. Das Programm, in welchem mein Beitrag läuft beginnt. Viele Leute, gemütliche Atmosphäre. Nach dem Film einige Fragen kurz und nicht zu detailliert beantwortet. Ich hoffe ein wenig auf gute, vielleicht etwas tiefere, Einzelgespräche im Anschluss – Enttäuschung.
Schaue einige Filme auf der Monitorstation an, die im Festivaltreffraum steht.

Am Abend treffe ich mich mit meinen Übernachtungsgastgebern – ein sehr nettes, junges Paar. Wir schauen uns zwei Programmblöcke an. Im Anschluss wollte ich eigentlich auf eine Informationsveranstaltung mit Partycharakter, doch ich bin zu müde und nicht in geringster Stimmung dafür – die Beiden erinnern mich doch sehr an meine letzte Beziehung. Angekommen in ihrer Wohnung verstärkt sich dieses Gefühl. Wir schauen uns auf DVD einen Auftritt von Alf Poier an und gehen schlafen.

Nächster Tag. Ich bin allein und lese bis vier Uhr nachmittags in einem Buch meines Gastgebers. Dann packe ich meine Sachen und geh nochmals ins Festivalbüro – die Programme beginnen erst 19 Uhr, 20 Uhr fährt meine Bahn. Ich schaue mir fast alle Filme auf dem Monitor von Festplatte an, Verabschiedung und wieder zurück zum Bahnhof.
Während der Fahrt konkretisieren sich Ideen und Texte für einen neuen Film. Es wird ein Reisefilm, inspiriert von den großen Themen Vorfreude und Hoffnung, Glück und Illusion bzw. von Relativität an sich. Der Titel wird lauten „Sagt mir doch bitte wenigstens, dass dieser Film Scheiße ist“ oder vielleicht „Die Reise mit der Eisenbahn hat sich durchaus ein wenig gelohnt“ – die Bilder dafür hatte ich auf der Hinfahrt aufgenommen.

In der Hoffnung, ich könne mich um diesen Bericht drücken, vergehen zunächst sieben Wochen. Der Neue Film hat Version 1.2.1 erreicht – könnte gezeigt werden. Gestern dann doch noch der auffordernde Wunsch nach einem Reiseprotokoll mit dem Hinweis einer Veröffentlichung im Web. Wahrnehmung find ich nicht so gut und nichts liegt mir ferner als wörtliche Kommunikation mit ihren permanenten Missverständnissen. Wozu mache ich Filme? Es hilft mal wieder nichts…

Blick aus Gastwohnung Fenster
Vienna Shorts Q&A zu „Sense+Innocence“