Post an eine Unbekannte

Liebe Unbekannte im Zoo Palast Publikum,

Nach dem Screening meiner Arbeit “Inflorescence” im Berlinale Shorts Programm, irgendwann Februar 2020, fragtest du leicht aufgebracht warum sowas auf dem Festival laufe?” Du könntest schließlich auch einfach was filmen und Musik darunter legen.

Gewiss mag ich deinen Kommentar provoziert haben indem ich im Interview zuvor bewusst didaktische Erklärungen verweigerte und allzu eindeutigen Interpretationen der Moderation mit persönlichen Annekdoten auswich. Ich mag meine Sachen lieber maximal offen und sehe es nicht als meine Aufgage denen duch Verweise auf z.B. aktuelle Ereignisse nachträglich Relevanz zu verschaffen.

Meine Produzentin, die mit auf der Bühne war verwies nach deiner Bemerkung mit einer Geste lapidar auf die Leinwand hinter uns. Ich fand diesen kleinen Verweis auf das Kino zwar nen guten und angemessenen Move, aber gern wollte auch ich dir direkt ausführlich antworten. Jedoch etwas anders als die ebenfalls anwesende Sektionleitung, die nach Ende des Programms spontan auf die Bühne ging und die Aufnahme des Films ins Programm noch rechtfertigte. Das irritierte uns und beschäftigt mich bis heute.

Was ich dir antworten wollte wenn wir noch Zeit dafür gehabt hätten, wäre in etwa dies gewesen:

Ja klar, mach das doch. Dann solltest du aber auch noch ein ehrliches Gespür dafür entwickeln müssen, ob deine Komposition auch mehr sein kann als die Summe der Einzelteile, ob Betrachter*rinnen, darin selbst eigene Gedanken entwickeln können, ganz aktiv oder auch positiv passiv teilhaben können, indem sie z.B. inspiriert werden, eine Leidenschaft vor und/oder während des Entstehungsprozesses spüren können oder irgendeine Form von Genuss durch z.B. Überwältigung oder Abdriften und Eintauchen empfinden können. Das ist allerdings gar nicht so einfach einzuschätzen, aber doch nötig, denn den Aufwand von Detailarbeit wie Farb- und Soundmischung, die jedoch dann schon auch noch nötig, aber eben leider wesentlich zeitaufwendiger und kostenintensiver ist, als eine fixe Idee zu haben, kannst du nicht für Alles pauschal betreiben, ebenso nicht Aufwand und Kosten um jedes Video einfach bei Festivals mal einzureichen. Aber Insta Reels mit Musik sind heute ja super schnell gemacht, da gibts unendlich viele tolle Sachen – da kannst du tatsächlich einfach und billig abliefern.

Und falls du das echt als Frage gemeint hattest: Also klar, bitte, mach das unbedingt. Wenn du was kreativ zu verarbeiten hast oder musst, gibts nichts besseres. Es tut gut etwas in die Welt zu schmeißen und mit Menschen, darüber zu reden und so evtl. sogar Gleichgesinnte zu finden. Als ich anfing Kunst zu studieren hatte ich auch Bedenken der Art: Es gibt genug Scheiß da draußen, warum brauchts da noch den Meinen? Diese Einstellung hatte ich ne ganze Weile durchgezogen und meine Sachen nur für mich in der Schblade behalten. Aber das zieht nur runter und man bleibt allein damit. Also einfach machen! Und dann steht es dir frei, das auch bei Festivals einzureichen, deren Gebühren zu zahlen, dort anzureisen, sich spannenden Publikumsfragen zu stellen, oder auch kritischen Kommentaren. Di h nicht unterkriegen zu lassen und darauf dann dennoch weiterzumachen… Irgendwann klappts dann vielleicht auch mal mit Berlinale. Warum im einzelnen genau, bleibt dann mitunter leider dennoch die Frage. (Das ist dir jedoch dann jedoch vielleicht längst egal.)

Also, falls es dir genau so geht wie mir damals, velleicht hilft dir noch folgender Hinweis meinerseits: Ich selbst sehe mich bis heute weder als richtiger Künstler, noch als Filmemacher, eher als ne Art Kuschel-Trance VJ. Nimm dein Zeug und dich selbst nicht zu ernst, dann kannst du das entspannt zeigen (lassen).

Herzlichst,
Nicolaas Jic Schmidt